Buchbesprechung: „Der Aufbau einer gerechten Weltordnung“

Buchbesprechung von Bernd Stracke

Eine demokratische und gerechte internationale Ordnung sei möglich. Die Menschheit benötige eine durchsetzbare, auf Regeln basierende Ordnung für eine nachhaltige Entwicklung und das Wohlergehen künftiger Generationen. Dies ist die Quintessenz von Building A Just World Order, dem neuesten Werk des in Kuba geborenen US-amerikanischen Völkerrechtlers und Historikers Dr. Alfred de Zayas.

De Zayas, GENIUS-Lesern längst kein Unbekannter mehr[1] und von 2012 bis 2018 erster Inhaber des vom UN-Menschenrechtsrat geschaffenen Mandats eines Unabhängigen Experten zur Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, fasst in dem 402 Seiten starken Opus seine neuesten Erkenntnisse zusammen, die sich von den Anschauungen so mancher „Mainstream-Lieblingen“ wie z. B. jenen des – vielleicht unverdient – ausgiebig positiv zitierten Weltwirtschaftsforum-Vorsitzenden „Great-Reset“-Verfechters Klaus Schwab, deutlich unterscheiden.

Während zwischenstaatliche Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) die Visionen einer gerechten Weltordnung vorangetrieben und dazu beigetragen haben, die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zur Förderung von Frieden, Entwicklung und Menschenrechten zu erfüllen, sind dagegen laut De Zayas die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zurückgeblieben.

Selbstbestimmungsrecht der Völker und Menschenrecht auf Frieden

De Zayas formuliert 25 Prinzipien der internationalen Ordnung, in denen er Begriffe wie die innerstaatliche und internationale Demokratie, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und ein Menschenrecht auf Frieden definiert. Vor allem schlägt er konkrete Reformen des UN-Systems vor, insbesondere des Sicherheitsrats sowie der Funktionen des Generalsekretärs, und plädiert insbesondere für die:

  • Anerkennung des Friedens als Menschenrecht
  • Selbstbestimmung als Konfliktprävention
  • Senkung der Militärausgaben
  • Korrektur der Politik der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds
  • Vereinbarkeit von Freihandelsabkommen mit den Menschenrechten
  • Abschaffung von Steueroasen und ISDS (Investor-Staat-Streitbeilegung)
  • Entschärfung der Auslandsschuldenkrise
  • Kriminalisierung von Kriegs- und Pandemieprofiteuren.

Alfred de Zayas prangert einseitige Zwangsmaßnahmen, Wirtschaftssanktionen und Finanzblockaden an, weil sie nachweislich hunderttausende Tote verursachten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Artikel 7 des Statuts von Rom des Internationalen Strafgerichtshofs darstellen. Der Autor steht für das Recht auf verlässliche Informationen, auf Meinungsfreiheit, gegen Zensur durch Regierungen und private Medien ein. Er schlägt eine Charta der Rechte für Whistleblower (Aufdecker) vor, lehnt die antidemokratische „Cancel Culture“ ab und fordert Rechenschaft zu Verbrechen gegen indigene Völker, Ökozid oder Vergehen wie „außerordentliche Auslieferungen“ und Folter in Guantanamo. Zudem formuliert er pragmatische Empfehlungen an Staaten, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft.

Dem aktuellen Werk gingen zahlreiche Bücher und 200 wissenschaftliche Artikel voran

De Zayas, Jahrgang 1947, ist aktuell Professor für Recht an der Genfer Schule für Diplomatie sowie Gastdozent an schweizerischen, französischen, deutschen und spanischen Universitäten. Er war unabhängiger UN-Experte zur Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, leitender Anwalt beim UN-Büro des Hohen Menschenrechtskommissars, Sekretär des UN-Menschenrechtsausschusses und Chef der Petitionsabteilung. Er hält die Titel eines J.D. – Juris Doctor – der Harvard Law School und eines Ph.D. in Neuerer Geschichte der Universität Göttingen. Zudem war er Fulbright Graduate Fellow in Deutschland, praktizierte als Mitglied der New York und Florida Anwaltsvereinigung und veröffentlichte zahlreiche Bücher sowie mehr als 200 wissenschaftliche Artikel. Von 2006 bis 2009 und von 2013 bis 2017 war Alfred de Zayas Präsident des Schweizer PEN-Clubs. Am Institut für Völkerrecht und Europarecht leitete er eine Arbeitsgruppe für Kriegsvölkerrecht, weiters wirkte er am Zentrum für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf und im Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. 2003 ging er in den vorzeitigen Ruhestand, um an die Universitäten zurückzukehren. Er wirkte als Gastprofessor für Völkerrecht an der University of British Columbia in Vancouver sowie am Genfer Hochschulinstitut für Internationale Studien und hielt Vorlesungen an Universitäten in Chicago, Madrid, Straßburg, Trier sowie in Tunesien, Irland und Schweden. Als Mitglied des P.E.N.-Club International (seit 1989) setzt er sich regelmäßig für inhaftierte Schriftsteller ein.

Gedichte, Kurzgeschichten, literarische Übersetzungen

Er verfasst Gedichte sowie Kurzgeschichten und betätigte sich als Übersetzer von Werken Rilkes, Hermann Hesses und Joseph von Eichendorffs ins Englische, Französische und Spanische.

2005 gehörte er zu den Unterzeichnern des Appel de Blois, der generell jeden staatlichen Eingriff in die historische Forschung ablehnt und sich insbesondere gegen das französische Loi Gayssot richtet, das die Leugnung des Holocaust unter Strafe stellt.

Zudem ist De Zayas Mitglied der spanischen Menschenrechtsorganisation Asociación Española para el Derecho Internacional de los Derechos Humanos (AEDIDH) und Unterzeichner von deren Erklärungen von Luarca (2006) und Bilbao (2010) zum Menschenrecht auf Frieden. Auch ist er Beiratsmitglied des Zentrums gegen Vertreibungen des Bundes der Vertriebenen (BdV) in Berlin. Im März 2018 gab die AfD-nahe Desiderius-Erasmusstiftung die De Zayas’ Berufung in ihr Kuratorium bekannt.

De Zayas’ hauptsächliches Betätigungsfeld als Wissenschaftler sind die Vertreibungen in Europa von Anfang des 20. Jahrhunderts bis dato, von denen folgende Bevölkerungsgruppen betroffen waren: Polen, Tschechen, Slowaken, Russen, Serben, Kroaten, Slowenen, Ukrainer, Juden, Roma, Armenier, Griechen, Zyprioten, Deutsche und Österreicher.

De Zayas, der auch fließend Deutsch spricht, postulierte bereits 1975 in einem Artikel ein Recht auf Heimat für alle Völker. 1977 folgte die Veröffentlichung seiner Promotionsarbeit Nemesis at Potsdam, die im selben Jahr in einer erweiterten deutschen Fassung unter dem Titel Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen erschien. 1981 wirkte De Zayas beim BR-Film Flucht und Vertreibung als historischer Berater, dem De Zayas’ populärwissenschaftliches Buch Anmerkungen zur Vertreibung folgte. Im Anhang dazu stellte de Zayas zunächst 23 Kernsätze zusammen, die sich gegen Vertreibungen wenden, und erweiterte diesen Katalog in einer Schrift mit dem Titel 50 Thesen zur Vertreibung. 2019 erschien, herausgegeben zusammen mit Konrad Badenheuer, das Buch 80 Thesen zur Vertreibung.

In zahlreichen Veröffentlichungen kritisierte de Zayas Handlungen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg als völkerrechtswidrig. Er wirft darin vor allem der sowjetischen Seite (Stichwort: „Verbrechen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg“), aber auch den Streitkräften der USA und der Briten Kriegsverbrechen vor. In einer Rezension von Daniel Goldhagens Buch Hitlers Willige Vollstrecker in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung warf De Zayas Goldhagen „Unfug und Unwissenheit“ vor und griff so in die Debatte um die deutsche Verantwortung für den Holocaust ein.

Als Völkerrechtsprofessor machte De Zayas seine Opposition gegen den Irakkrieg öffentlich. In einem Gastvortrag an der British Columbia University Vancouver (Kanada) vertrat er die Position, die Marinebasis Guantánamo Bay müsse von den USA an Kuba zurückgegeben und die dort inhaftierten Gefangenen entweder entlassen oder zumindest nach rechtsstaatlichen Prinzipien behandelt werden.

Zu den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen das Werk von De Zayas gewürdigt wurde, zählen die Menschenrechts-Plakette der Danube Swabian Association of the USA and Canada, die Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen, der Humanitas-Preis des Ost-West-Kulturwerkes Deutschland, der Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen für Wissenschaft, der Menschenrechtspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft und der Menschenrechtspreis der Donauschwaben.

Anmerkungen

[1] Vgl. GENIUS-Lesestücke:

2000-04 Besprechung der Zayas-Studie „Anmerkungen zur Vertreibung der Deutschen aus dem Osten“ von Peter Wassertheurer;

2012-06 Besprechung des Zayas-Buches „Völkermord als Staatsgeheimnis“ von Gerulf Stix sowie

2012-10 Besprechung des Zayas-Buches „50 Thesen zur (Anm.: deutschen) Vertreibung“ von Gerulf Stix

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Bildquelle:

  • martin-sanchez-j2c7yf223Mk-unsplash: Martin Sanchez via Unsplash

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