Die neuen Bilderstürmer: Die linke Kulturrevolution

Von Fabian Walch

Man hat das Gefühl, der linke Fanatismus leitet gerade die große Kulturrevolution ein. Ein Blick in die Vergangenheit kommunistischer Länder lässt erahnen, wohin dies führt. Die Bolschewiki, Roten Khmer, Mao und Kim Yong Il haben alle in einer Gründlichkeit mit der eigenen Kultur und Geschichte aufgeräumt, die einen noch heute erschaudern lässt. Wenn Sozialisten wie Kommunisten große Umwälzungen ankündigen, ist das nicht weniger als eine todernste Drohung, die zum Widerstand verpflichtet. Maos großer Sprung nach vorne kostete circa 50 Millionen Chinesen das Leben, Zwangskollektivierung, Entkulakisierung und der Große Terror waren es in der Sowjetunion, Massensäuberungen wurde es unter den Khmer – Pol Pot genannt. Wie es den Menschen in Nordkorea ergeht, ist hinlänglich bekannt. Alles Geschenke der geistigen Nachkommen von Marx und Engels an die Menschheit. Das wahre Meisterstück ist jedoch, dass es immer wieder gelungen ist, einem breiten Teil der Bevölkerung weis zu machen, dass diese Terrorregime alle nichts mit dem wahren Kommunismus/Sozialismus/Marxismus zu tun gehabt hätten. Das jüngste Beispiel für diese Mär ist das lange Zeit als Mustersozialismus hochgehaltene Venezuela, welches seine wahre Fratze gezeigt hat und urplötzlich kein richtiger Sozialismus mehr sein soll.

Die linke Agenda heute

Die linke Agenda ist heute aber nicht immer klar als solche erkennbar. Nachdem der Marxismus als Wirtschafts- und Sozialordnung in allen Versuchsländern kläglich gescheitert ist – sämtliche negative Begleiterscheinungen seien an dieser Stelle ausgeblendet, um nicht den bescheidenen Rahmen eines Essays zu sprengen –, wird spätestens seit der 68er-Bewegung und sonstigen Gramsci-Leserschaften – versucht, den Marxismus über die kulturelle und zivilgesellschaftliche Ebene zu implementieren. Besonders nihilistische Intellektuelle, wie beispielsweise die Stalin-Verehrer Jean Paul Sartre oder Eric Hobsbawn, erwiesen sich als anfällig dafür.

Heute zeigt sich dies unter dem Deckmantel von Empörungswellen, die, langsam aber stetig, unsere Gesellschaft und Art zu leben aushöhlen. Die Deutungs- und Diskurshoheit der 68er beglückt uns in immer kürzer werdenden Abständen mit ihren Fantastereien: Gendermainstream, Feminismus, Me-Too, Hate-Speech, Klimahype, Rassismus, Refugees-Welcome und nun Black-Lives-Matter. Das Ziel ist dabei jedoch immer dasselbe: die Erschaffung der klassenlosen Gesellschaft. Dabei war die ursprüngliche Idee, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und weder Reichtum noch Stand eine Rolle spielen sollen, nachvollziehbar, richtig und vor allem eines: keine Idee der Linken, wie uns andererseits die unerreichten Gräuel der Jakobiner in Frankreich oder der Bolschewisten in Russland lehren.

Der bindungslose Mensch soll geschaffen werden

Da der Verlauf der Geschichte dies aber bereits in der westlichen Welt erreicht hat, gehen die Social-Justice-Warriors (Soziale-Gerechtigkeit-Krieger), wie sie im angelsächsischen Raum genannt werden, weiter und wollen den bindungslosen Menschen erschaffen. Der bindungslose Mensch hat keine Leitplanken, keine Wurzeln, keine Moral, keine Ziele und keinen Antrieb. Der entwurzelte Mensch ist unnatürlich und das ist auch der Grund, warum dieses linke Experiment zum Scheitern verurteilt ist – vermutlich dann blutig. Hierarchien, Bindungen, Abgrenzung, Organisation in Gruppen, das alles gehört zur Natur des Menschen und hat sowohl unser Überleben als Spezies als auch unseren Fortschritt sichergestellt. Und nicht weniger als das steht auf dem Spiel – die Grundfesten unseres Menschseins werden bedroht. „Alle Menschen sind gleich“ klingt zwar schön, ist jedoch von Grund auf falsch und widerspricht der sonst gepriesenen Pluralität. Natürlich sind nicht alle Menschen gleich. Es gibt unzählige Unterschiede, die nicht nur physisch manifest sind, sondern sich in mannigfaltiger Art zeigen. Jeder hat andere Stärken und Schwächen, Talente, Interessen und vieles mehr. Richtigerweise muss es deshalb heißen, „alle Menschen sind gleichwertig“, gerade unter Berücksichtigung aller Unterschiede, die den Einzelnen einzigartig machen!

Der Sturz der „Heroen“ der Vorzeit

Selbst auf dem Wams des schillerndsten Helden findet man schwarze Flecken, wenn man nur lange genug sucht. Es sei eindringlich davor gewarnt, seinen Fokus allzu sehr auf diese schwarzen Flecken zu richten und dabei epochale Leistungen zu negieren. Dies wird keiner Person gerecht. Neben schwarz und weiß gibt es eben eine Vielzahl von Schattierungen. Ist es schon schwierig, das Wesen eines Zeitgenossen voll zu begreifen, so ist es fast unmöglich, über historische Quellen das Wesen einer längst verblichenen Person zu ergründen. Leider macht sich auch in den Geschichtswissenschaften – ähnlich wie im Journalismus – der Trend breit, weg vom Beschreiben, hin zum Werten und Bewerten zu gehen. Vermutlich hängt das mit dem Marsch der 68er durch die Institutionen zusammen. Kaum ein neu zu besetzender historischer Lehrstuhl wird anders als mit überzeugten und oftmals ideologischen Linken besetzt. Besonders negativ ist diese Entwicklung im Fachbereich der Zeitgeschichte manifest. Dies geht oftmals Hand in Hand mit einem Über-Bord-werfen der geschichtswissenschaftlichen Grundsätze. Eine Horde von Gefälligkeitswissenschaftlern bietet dann in ihrem Wahn des Dekonstruierens das nötige Material, um das Berserkertum der neuen Bilderstürmer angeblich „wissenschaftlich“ zu legitimieren. Dabei lernt jeder Geschichtsstudent im Antrittssemester seines Studiums, dass der Historiker einerseits versucht zu beschreiben, aber andererseits auf keinen Fall werten soll.

Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien wird sturmreif geschossen

Auch die aktuelle Diskussion über das Heeresgeschichtliche Museum in Wien zeigt, welchen Weg viele Geschichtswissenschafter eingeschlagen haben. Die diversen linksgerichteten Institute für Zeitgeschichte versuchen mit links-grüner Unterstützung aus Politik und Zivilgesellschaft beharrlich, das in ihren Augen aus der Zeit gefallene Museum sturmreif zu schießen. Die militärische Geschichte Österreichs ist ihnen längst ein Dorn im Auge. Eine neue Museumsleitung, die natürlich politisch auf der „richtigen“ Seite steht, muss her und damit einhergehend ein völlig neues Konzept, das etwa sämtliche „Kriegsverbrechen“, die auch nur irgendwie möglich sind, ausbreitet und am besten noch bespickt mit bitterböser Kolonialgeschichte. Unsere Geschichte, die logischerweise auch fragwürdige Flecke enthält, steht von allen Seiten unter Beschuss und die Frage ist, wie lange die belagerten Vernünftigen noch durchhalten. Bislang ist kein Entsatzheer in Sicht. Vielleicht eilen uns abermals die Polen wie 1683, diesmal zusammen mit den Visegrad-Staaten, zu Hilfe.

Die Doppelmoral der Bilderstürmer

Es versteigen sich immer mehr moralintrunkene Gutmenschen dazu, die Ethik der eigenen Gegenwart in die Vergangenheit zu projizieren. Dabei offenbart sich aber eine unübersehbare Doppelmoral der Bilderstürmer. Geschichte soll aus dem öffentlichen Raum verschwinden und so im Nachhinein getilgt werden. Es geht dabei aber nur um jene Geschichte, die den linken Potentaten nicht ins Konzept passt. Unangenehme Geschichte soll verschwinden, mehr noch: ausgelöscht werden, bis diese aus dem kulturellen und kollektiven Gedächtnis verschwindet. Damit einher geht die Fokussierung auf die dunkelsten Stunden, etwa die Zeit des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus als Legitimation für das eigene Handeln und die Zerstörungswut. So, also ob diese in Österreich gerade einmal 7 Jahre währende NS-Diktatur nicht seit 75 Jahren längst beendet wäre. Und so, als ob aktuelle kommunistische Diktaturen nicht mit viel mehr Verve zu bekämpfen wären als tote Diktaturen.

Dabei werden nicht nur Statuen niedergerissen, auch Straßen, Universitäten und Kasernen werden umbenannt. Alle werden in einen Topf geschmissen und keiner ist mehr sicher: Ghandi, Churchill, Columbus, George Washington, König Leopold II. von Belgien, Jefferson, Roosevelt, Bismarck, Hermann der Cherusker und viele mehr werden in einem Atemzug genannt und werden vom Höchstgericht der linken Moral zum Vergessen verurteilt.

Die Massenmörder Lenin, Stalin und Che Guevara werden verherrlicht

Auf der anderen Seite werden aber auch neue Statuen aufgestellt. Im Juli etwa wurde feierlich eine Statue des russischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin im deutschen Gelsenkirchen enthüllt. Die linksextremistische Partei MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) hat es tatsächlich geschafft, einem Herrn, der zweifelsohne für Gewalt, Unterdrückung, Terror und ein schreckliches Menschenbild steht – um auch die Ausdrucksweise der Bilderstürmer anzuwenden –, ein Monument zu errichten. Im Mai 2018 wurde Karl Marx, anlässlich seines 200. Geburtstags, eine Statue in seiner Geburtsstadt Trier gestiftet. Es zeigt sich also, dass Denkmäler, wenn sie ideologisch genehm sind, durchaus auch erwünscht sein können. Da kann man dann schon einmal auch über dunkle Flecken im Lebenslauf hinwegsehen, wie etwa beim homophoben Arbeitslagererrichter Che Guevara, von dem eine Büste im Wiener Donaupark aufgestellt wurde, oder dem kommunistischen Massenmörder Stalin, dem eine Gedenktafel in Meidling gewidmet wurde.

Die Antifa wurde in den USA nicht umsonst als Terrororganisation eingestuft. Das Berserkertum der linken Bilderstürmer weist immerhin eine frappierende Ähnlichkeit mit der Zerstörungswut des IS und anderen radikalen Islamisten auf, die im Nahen und Mittleren Osten Kulturgut unwiederbringlich zerstört haben. Weltkulturerbe in Hatra, Nimrud, Statuen in Ninive, Palmyra oder etwa die großen Buddhastatuen von Bamiyan fielen alle dieser ideologiegetriebenen und blinden Zerstörungswut zum Opfer.

Geschichte als Teil von uns

Jeder ist ein Kind seiner Zeit und nur die Wenigsten sind ihrer Zeit voraus oder besser, fallen aus ihrer Zeit. Wer bestimmt denn schon, was Fortschritt ist und was rückständig? Die Meinung, dass die Geschichte eine lineare Bewegung hin zur ewigen Glückseligkeit sei, ist längst überholt. Unterm Strich sind wir heute da, weil die Geschichte so verlaufen ist, wie sie eben verlaufen ist. Auch die dunklen Stunden haben dazu beigetragen. Es ist zwar reizvoll, sich mit kontrafaktischer Geschichte, also Was-wäre-wenn-Szenarien zu beschäftigen, dies ist aber zum einen unwissenschaftlich und zum anderen ändert es den Verlauf der Geschichte nicht, ebenso wenig, wie das Niederreißen von Statuen und Denkmälern.

Wer kann sich vorstellen, wie sich ein Columbus gefühlt haben muss, als er die „Neue Welt“ entdeckt hat, die er fälschlicherweise für Indien hielt? Wer kann sich in einen Immanuel Kant hineinversetzen? Wer weiß, was in einem Fernão Mendes Pinto vorgegangen sein muss, als er als erster Europäer in Kontakt mit Japanern trat? Was ging in einem mittelalterlichen Bauern vor? Können wir seine Religiosität nachvollziehen? Diese Fragen können wir alle nicht beantworten und doch haben all diese Personen mit ihrem Wirken, auf welche Weise auch immer, zum Gang der Geschichte und damit zu unserer Gegenwart beigetragen. Dabei ist unerheblich, ob dieses Wirken gut oder schlecht war. Es war einfach und kann weder rückgängig gemacht werden, noch sollte darüber aus ideologischen Motiven gerichtet werden – und wenn, dann mit Betonung der subjektiven Position des Nachgeborenen.

Dabei können wir uns durchaus die Frage stellen, wie künftige Generationen über uns denken werden. Werden sie auch in Moralin getränkt über uns richten und unser Andenken angeekelt auslöschen wollen? Vielleicht lernen wir aber auch aus den aktuellen Entwicklungen und ziehen die richtigen Schlüsse. Man kann nur hoffen, dass sie gnädig mit uns sind und uns als das sehen, was wir dann sein werden, nämlich Geschichte.

Leider befasst sich ein Großteil der Bevölkerung kaum oder gar nicht mit Geschichte. Je nachdem welchen Lehrer man in der Schule hatte, blickt man freudig oder gelangweilt auf den Geschichtsunterricht in der Schulzeit zurück. Aber auch unter den Geschichtsinteressierten gibt es nur wenige, die wissen, wer da von den monumentalen Sockeln auf uns herabblickt. Geschweige denn, wie dessen Lebensgeschichte aussah. Man möge den Versuch wagen und die Wiener fragen, wer da am Heldenplatz hoch zu Ross sitzt. Nur die wenigsten werden ihn als Prinz Eugen, „den edlen Ritter“, identifizieren oder gar wissen, weshalb er sich diesen Platz verdient hat. Apropos Prinz Eugen: Fühlen sich die Austro-Türken vom österreichischen Helden des großen Türkenkrieges belästigt, wenn sie an ihm vorbei schlendern? Bringen wir die Bilderstürmer lieber auf keine dummen Ideen, sonst geht es auch dem armen Eugen bald an den Kragen.

Zerstörung der Erinnerung

„Jede Aufzeichnung wurde vernichtet oder verfälscht, jedes Buch überholt, jedes Bild übermalt, jedes Denkmal, jede Straße und jedes Gebäude umbenannt, jedes Datum geändert […] Es gibt nur noch eine unabsehbare Gegenwart, in der die Partei immer recht behält.“ Diese Zeilen aus George Orwells Meisterwerk „1984“ scheinen aktueller denn je zu sein. Mit jedem Wort spüren wir regelrecht, wie der Auftakt dazu bereits begonnen hat. Nachdem die Denkmäler gefallen sind, brennen die Bücher und von da ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Menschen an den Kragen geht. Gerade dem geneigten Tiroler Leser erwachen Erinnerungen an die Herrschaft des Liktorenbündels in Südtirol, wo Kaiserjägerdenkmal, Walther von der Vogelweide und sonstige identitätsstiftende Symbole einer jahrhundertelang gewachsenen Kultur eines der ersten Angriffsziele der Faschisten bildeten, um die deutsche Identität Südtirols zu brechen. Das Perfide ist heute jedoch, dass die Impulse dafür nicht von den Schalthebeln der Macht ausgehen, sondern von einer kleinen radikalen Minderheit, die es geschafft hat, durch ihren „Marsch durch die Institutionen“ und ihre stetigen Giftpfeile die Erosion unserer Gesellschaft zu initiieren und die eigene toxische Agenda voranzutreiben.

Geschichte soll überall verschwinden und somit zwangsläufig auch aus dem Gedächtnis, dabei ist es eine Fähigkeit, sich als Spezies erinnern zu können, Geschichte überhaupt zu erkennen, also etwas, was uns von Tieren unterscheidet und Grundlage unserer Zivilisation bildet. Denkmäler, Monumente und Statuen sind in Stein oder Metall gegossene Erinnerung. Wer diese angreift, verschmiert oder zerstört, will ins kollektive Gedächtnis eingreifen und die Menschen manipulieren. Es geht darum, das Erbe unserer Altvorderen auszulöschen und Zusammengehörigkeitsgefühle – hervorgerufen durch gemeinsame Geschichte – zu tilgen.

Anstatt der Statuen und Monumente sollte die Political Correctness, die uns massiv in unserer Freiheit des Sprechens und damit des Denkens einschränkt, und ihre autoritären Konsorten auf die Müllhalde der Geschichte verbannt werden. Dies wäre ein echter Befreiungsschlag, den uns die Nachwelt bestimmt danken würde und der ihr zugleich zur Warnung gereicht, sich nicht in kulturmarxistische Abgründe zu begeben.

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