„Flüchtlinge dürfen nicht integriert werden“

Eine Buchbesprechung von Gerulf Stix über Fritz Söllner, „System statt Chaos – Ein Plädoyer für eine rationale Migrationspolitik“

Die provokante Überschrift stammt vom Verfasser des Buches und wurde folgendem Zitat entnommen: „Wenn das Asylverfahren mit der Nichtanerkennung endet, muss der Flüchtling so schnell wie möglich in sein Herkunftsland zurückkehren. Und wenn es mit der Anerkennung endet? Dann muss dafür gesorgt werden, dass Flüchtlinge nach Wegfall des Fluchtgrundes unverzüglich heimkehren. Aus diesem Grunde müssen auch Flüchtlinge nicht integriert werden – ja mehr noch: Sie dürfen nicht integriert werden. Sie zu integrieren wäre vollkommen widersinnig und würde den Zielsetzungen der Flüchtlingspolitik diametral zuwiderlaufen. Flüchtlinge müssen selbstverständlich ernährt, bekleidet und medizinisch versorgt werden …“ (Seite 164).

Das schreibt Fritz Söllner in seinem obigen Buch. Nun ist dieser Mann nicht irgendwer, sondern Professor für Volkswirtschaftslehre (Schwerpunkt Finanzwissenschaft) an der Technischen Universität Ilmenau. Dementsprechend ist sein Buch recht sachlich gehalten und lässt starke wirtschaftspolitische Bezüge erkennen. Trotzdem ist es absolut lesenswert, und zwar auch für wissenschaftliche Laien. Denn erstens ist es flüssig geschrieben und zweitens enthält es eine Fülle ordentlich recherchierter Fakten. Allein das Literaturverzeichnis, in welchem der Name Sarrazin fehlt, umfasst 10 Seiten. Darüber hinaus nimmt sich Söllner kein Blatt vor den Mund. Er nennt die Dinge ohne Umschweife beim Namen und hält auch mit seiner persönlichen Meinung nicht zurück.

Als Volkswirtschafter knüpft er beim Begriff „Nationalökonomie“ an. Er destilliert aus dem ökonomischen Rationalitätsprinzip in Übereinstimmung mit der herrschenden Fachmeinung den Zweck der Ökonomie als Nutzenmaximierung. Logischerweise unterstellt Söllner demzufolge ein rationales Verhalten den Migranten wie den Bürgern der Zielländer und insbesondere den Politikern dieser Länder. Folgerichtig schreibt Söllner daher, „dass die deutsche Migrationspolitik im Interesse Deutschlands sein soll und nach Maßgabe ausschließlich der Präferenzen der deutschen Bevölkerung zu gestalten ist“. Diese methodische Linie durchzieht das ganze Buch. Mit anderen Worten: Migrationspolitik seitens des Ziellandes hat ausschließlich den Interessen des jeweils aufnehmenden Landes zu dienen. Das gilt für alle Länder, hier konkret für Deutschland und sinngemäß auch für Österreich. Söllner kritisiert gleich an mehreren Stellen seines Buches hart, aber korrekt, dass die gegenwärtige Migrationspolitik in Deutschland dieser Zielvorgabe nicht entspricht.

Asylanten und Wirtschaftsflüchtlinge

Vielleicht täuscht der allgemeine Begriff „Migration“ darüber hinweg, dass es mindestens zwei deutlich voneinander unterschiedene Arten von Migration gibt. Söllner unterscheidet sehr genau zwischen einerseits Asylanten und andererseits Einwanderern, die nur den wirtschaftlichen Wohlstand des erhofften Ziellandes vor Augen haben. Aus dieser klaren Unterscheidung resultieren auch zwei unterschiedliche Migrationspolitiken, nämlich eine für Asylanten und eine für Wirtschaftsflüchtlinge. Natürlich gibt es auch noch die Kriegsflüchtlinge, doch die sind ja nur auf Zeit im Zielland und stellen somit grundsätzlich kein Einwanderungsproblem dar. Im vorliegenden Buch wird der Schwerpunkt bei der Darstellung wie bei der Beurteilung auf die Asylpolitik und auf die Einwanderungspolitik, also auf die Migrationspolitik im engeren Sinn gelegt.

Bei der Asylfrage schildert Söllner sehr genau die geltende Rechtslage. Dabei werden Vergleiche mit dem Recht in der BRD und dem wirksamen EU-Recht angestellt. Das Ergebnis dieser Vergleiche ist niederschmetternd. Tatsächlich sind die Möglichkeiten, eine nationalstaatlich verantwortbare Asylpolitik zu betreiben, äußerst beschränkt. Aus diesem Umstand zieht Söllner eine eindeutige Forderung: „Die Reform der deutschen Flüchtlingspolitik ist auf rein nationaler Ebene so gut wie unmöglich“ (Seite 133), und er fordert detailliert, die gesamte Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU „auf den Prüfstand zu stellen“ (Seite 128). Alle diese Thesen gipfeln in einem Verlangen nach einer Reform der europäischen Flüchtlingspolitik. Das deckt sich mit jahrelangen freiheitlichen Forderungen.

Masseneinwanderung in den wirtschaftlichen Wohlstand

Ausführlich befasst sich das Buch mit Kosten-Nutzen-Rechnungen der konkreten Einwanderung. Die dabei zutage tretenden Zahlen erschüttern selbst abgebrühte Kenner der Einwanderungsproblematik. Wussten Sie zum Beispiel, wieviel ein Migrant den deutschen Steuerzahler im Jahr kostet? Söllner nennt rund € 20.000,– pro Kopf und Jahr! Allein die Ausgaben im Rahmen des deutschen Asylwerberleistungsgesetzes betrugen im Jahr 2017 pro Kopf € 11.959,–. „Insgesamt wird man mit Kosten für die Flüchtlingsversorgung von ca. € 20 bis 25 Milliarden pro Jahr rechnen müssen.“ (Seite 106). Da erübrigt sich jeder Kommentar.

Es nimmt nicht wunder, wenn Söllner als Nationalökonom ausführlich zum Thema Arbeitsmarkt Stellung nimmt. Hier liefert ein Originalzitat zur Masseneinwanderung in das Wohlstandsland BRD zusammenfassend Aufschluss: „Wenn hunderttausende (= Original!) von Flüchtlingen als Mindestlohnempfänger in den Niedriglohnsektor integriert werden, dann ist das keine Quelle des Wohlstands, sondern eine Quelle sozialer und politischer Konflikte und wirtschaftlicher Verluste“ (Seite 120). Im Grunde genommen bestätigt Söllner die von freiheitlicher Seite seit langem kritisierte Tatsache, dass die Masseneinwanderung insbesondere von Wirtschaftsflüchtlingen und deren Integration in den Arbeitsmarkt nur zu einer Verdrängung einheimischer Beschäftigter in Branchen mit niedrigen Löhnen führt. Außerdem wird durch das Buch die Entstehung einer neuartigen Form von Sklavenwirtschaft bestätigt und wissenschaftlich untermauert.[1]

Zur Frage der in der Öffentlichkeit häufig erhobenen Klage über einen Facharbeitermangel äußert sich Söllner sehr skeptisch hinsichtlich der ebenso oft damit verbundenen Forderung, den Facharbeitermangel durch die Wirtschaftsflüchtlinge auszugleichen. Diese brächten einfach die erforderliche Qualifikation nicht mit. Darin deckt sich seine Analyse mit der von Sarrazin. Alle Hoffnungen auf eine Wohlstandssteigerung durch die Wirtschaftsflüchtlinge verweist Söllner in den Bereich des Unwahrscheinlichen: „Die Flüchtlings- und Migrationspolitik daran auszurichten ist ungefähr so, wie wenn ein Privathaushalt seine Konsumpläne an der Chance auf einen Hauptlotteriegewinn ausrichten würde“ (Seite 122). Damit ist wohl alles gesagt.

Der Nationalstaat – ein Auslaufmodell?

So lautet die Überschrift für das letzte Kapital des Buches. Gut, dass sich hier ein Universitätsprofessor mit einem Problem befasst, welches sowohl Teil national orientierter Forderungsprogramme ist als auch angesichts der technischen Globalisierung zu grundsätzlichen Fragestellungen einlädt. Obwohl Söllner feststellt, dass es sich hierbei um keine ökonomische, sondern um eine „politische Wertentscheidung“ handle, kommt er zu der begründeten Schlussfolgerung, „dass alle, die am Nationalstaat festhalten wollen, dessen Recht, seine Migrationspolitik selbst und im eigenen Interesse zu bestimmen, verteidigen müssen“. Nur jene, die eine Weltregierung anstreben (One-World-Ideologie), können für absolut offene Grenzen eintreten, denn es sei „globale Freizügigkeit nur auf globaler Ebene politisch durchsetzbar“. Angesichts dieser glasklaren Logik sowie der umfassenden Kritik an der Massenmigration in den vorangegangenen Buchkapiteln liegt Söllners persönliche Entscheidung für den Nationalstaat auf der Hand. Unabhängig von dem umstrittenen Begriff der „Nation“ – bekanntlich gibt es verschiedene Nationsbegriffe – bleibt natürlich die grundsätzliche Frage, ob mit der ideologischen Globalisierung, also mit einer Art Weltregierung, nicht die herkömmlich existierenden Staaten als solche überflüssig und damit abzuschaffen seien, völlig offen.

Das vorliegende Buch bietet auch treffende Begründungen für die Ablehnung eines internationalen Pakts, der selbst als solcher nicht erwähnt wird, nämlich des UN-Migrationspakts. Bekanntlich wurde dieser von mehreren europäischen Ländern, darunter Österreich unter der früheren ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung, abgelehnt. Der nunmehrige Außenminister Österreichs, Dr. Schallenberg, hat diese Ablehnung neuerdings bekräftigt – was den jetzt grünen Regierungspartner der ÖVP ganz und gar nicht freuen dürfte. Immerhin wollten die Grünen früher vehement, dass Österreich den UN-Migrationspakt unterschreibe!

Das vorliegende Buch ist eine Fundgrube hieb- und stichfester Argumente einerseits gegen die konkrete Masseneinwanderung nach Europa und andererseits für die angestrebte Änderung der Migrationspolitik der EU. Trotz der wissenschaftlichen Fundierung des Buches sind die Darlegungen in flüssigem Stil geschrieben. Sie vermitteln auch dem politisch interessierten Laien eine Fülle wichtiger Daten, Zahlen und wertvoller Hinweise.

Anmerkung

[1] Vgl. Gerulf Stix, „Die neue Sklavenwirtschaft“, Genius-Brief 1. Oktober 2019.

Bildquelle:

  • policy-3591641_1280: Gundula Vogel via Pixabay

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