Von Gerulf Stix
Mit 49,9 Prozent Wähleranteil hat sich der burgenländische Sozialdemokrat und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die absolute Mehrheit der Mandate im Landtag geholt. Mit allerdings nur 1 Mandat Überhang kann er theoretisch allein regieren. Ob er dieses Risiko tatsächlich eingehen wird, bleibt abzuwarten. Möglicherweise wird Doskozil später einen Koalitionspartner ins Boot holen. Nach Lage der Dinge kommt dafür nur der bisherige blaue Koalitionspartner in Frage, obwohl dieser bei der Landtagswahl arg gerupft wurde. Vorerst will Doskozil nach eigener Aussage allein regieren. Bleibt nur die Frage offen, ab wann er das Risiko für ihn bzw. die burgenländische SPÖ als zu hoch einschätzt.
Die burgenländische FPÖ unter Johannes Tschürtz – er war Landesobmann bis zwei Tage nach der Landtagswahl – steht trotz massiver Verluste bei nach wie vor 9,8 Prozent der Wählerstimmen und damit auf dem dritten Platz. Sie besitzt immer noch 4 Landtagsmandate. Eine Koalition von SPÖ und FPÖ ergäbe für Doskozil deshalb auch auf längere Sicht eine sichere Regierungsmehrheit.
Für die FPÖ scheint der Verlust von rund einem Drittel der Wählerstimmen im Burgenland im Bereich der allgemeinen Abwärtsspirale der FPÖ seit dem Debakel mit und rund um Heinz-Christian Strache zu liegen. Aber dieser Schein trügt. Denn Tschürtz, der aus seinem engen Verhältnis zu Strache – besonders intern – nie ein Hehl gemacht hatte, bekam von seinem persönlichen Freund H.-C. Strache vor der Landtagswahl in aller Öffentlichkeit mehrmals Wahlempfehlungen. Diese haben offenbar nichts genützt. Daraus kann man schließen, dass Strache auch im Burgenland nicht mehr zieht. Wie immer man die Sache drehen mag, die freiheitliche Niederlage in Burgenland ist auch eine Niederlage für Strache.
Tschürtz hat einen Teil der erlittenen Wahlverluste sicherlich auch dem Umstand zu verdanken, dass nach sämtlichen vorliegenden Erfahrungen in Koalitionen immer der kleinere Partner weggeblendet wird, wenn der größere Partner erfolgreich arbeitet. Und Doskozil hat sehr erfolgreich gearbeitet! Dass Johannes Tschürtz gleich zwei Tage nach der Wahl den Landesparteiobmann niederlegte und sich auf die parlamentarische Funktion des Klubobmannes zurückzog, erscheint zwar übereilt, dürfte aber seiner allgemeinen Schwäche zuzuschreiben sein. Sein Nachfolger als FPÖ-Parteiobmann, Landesrat Alexander Petschnig, dürfte jedenfalls Einiges aufzuräumen haben.
Damit nun ein paar Überlegungen zur spezifischen Politik des Hans Peter Doskozil. Es ist allgemein bekannt, dass er quer zur Politik seiner Bundespartei steht. Er betreibt eine Einwanderungspolitik ganz nach dem Geschmack und den Maßstäben der FPÖ und steht damit im krassen Gegensatz zur Bundes-SPÖ, vor allem zur Wiener SPÖ. Einerseits nimmt Doskozil damit seinem freiheitlichen Partner politischen Wind aus den Segeln und wird auch Wechselwähler für sich gewinnen. Letzteres dürfte in großem Ausmaß stattgefunden haben. Auf diese Weise wäre quasi bewiesen, dass viele sozialdemokratische Wähler zur FPÖ wechseln, wenn die SPÖ in der Einwandererfrage allzu weit nach „links“ abdriftet. Bei der deutlichen Law-and-order-Politik des Landeshauptmannes, der noch dazu vorher Landespolizeidirektor war, pendelten diese sozialistischen Wechselwähler wieder zurück.
Andererseits ist Doskozils nunmehr bewiesener Erfolg eine Ohrfeige für Rendi-Wagner, die als SPÖ-Obfrau den anti-freiheitlichen Kurs der Bundessozialisten bislang stets vertreten und nach außen artikuliert hat. Bundespolitisch widerlegt der hohe Sieg Doskozils genau genommen den gesamten bisherigen Kurs der SPÖ. Das wird sich nach und nach auswirken. Wie und wann, lässt sich schwer voraussagen, denn der politisch erfahrene Doskozil weiß genau, dass er vorläufig Ruhe geben, mit anderen Worten gesagt: beschwichtigen und abwiegeln muss. Wir werden es erleben. Die Zeitfrage bleibt offen. Ebenso spielt die Situation in Wien mit hinein, wo im Herbst gewählt werden wird und überdies der bisherige Kurs der SPÖ besonders viele Anhänger besitzt. Bevor die Wienwahl nicht geschlagen ist, wird sich in der SPÖ auf Führungsebene nicht viel bewegen.
Noch ein zweites bundespolitisches Signal liefert die burgenländische Landtagswahl. Die Bäume des Sebastian Kurz wachsen nicht in den Himmel. Sowohl die ÖVP als auch die Grünen haben bei der Landtagswahl nur sehr bescheidene Zuwächse lukrieren können. Wenn man die Ergebnisse strategisch bewertet, so stagnierten beide Parteien. Für die türkis-grüne Bundesregierung, die ja erst am Anfang ihres voraussichtlich holprigen Weges steht, ist das ein ernstes Warnzeichen, worüber sich alle anderen vermutlich freuen werden. Sebastian Kurz und Werner Kogler werden dieses Signal wohl ernster nehmen, zumal Kurz sich im Burgenland mehrfach als Wahlhelfer betätigte. Wie sich das auf das Verhalten der so konträren Partner in der Bundesregierung auswirken wird, lässt sich ebenfalls schwer voraussagen. Doch kann man davon ausgehen, dass sich beide in der nächsten Zeit vorsichtiger verhalten werden.
Außer der Stagnation bei der ÖVP und den Grünen fällt noch auf, dass die Kleinstparteien überhaupt nicht reüssieren konnten. Die LBL, eine frühere Abspaltung von der FPÖ, flog sogar aus dem Landtag, in dem sie sich mit einem Mandat befand, hinaus. Ein weiteres Beispiel also für die Erfahrung, dass Abspaltungen meist nichts bringen, jedenfalls in vielen Fällen nur ein kurzes Leben haben. Der DAÖ in Wien sollte das Schicksal des BZÖ zu denken geben. Aber irrlichternden Selbstzerstörern können fundierte Einsichten fast nie vermittelt werden.
Die NEOS verfehlten bei einem geringen Verlust und einem Gesamtergebnis von ganzen 1,7 Prozent den angepeilten Einzug in den Landtag bei weitem.
Gegen die These, wonach die Landtagswahl im Burgenland aufgezeigt hat, dass die politischen Bäume des Sebastian Kurz nicht in den Himmel wachsen, scheinen die guten Ergebnisse der Gemeinderatswahlen in Niederösterreich zu sprechen. Doch auch hier könnte der Schein trügen. Abgesehen davon, dass Gemeinderatswahlen stets etwas Eigenes sind und nur sehr schwer mit Landtags- oder gar Bundeswahlen verglichen werden können, spricht für den Kenner der Verhältnisse vieles dafür, dass die ÖVP-Erfolge in Niederösterreich auf das Konto der starken und geschickt handelnden Landeshauptfrau Mikl-Leitner gehen. Parallel dazu verloren die Sozialisten wichtige ihrer Hochburgen, was mit dem allgemeinen Niedergang der SPÖ gegenwärtiger Prägung zu tun haben dürfte. Diese Verallgemeinerung geht, wie schon gesagt, angesichts der durchaus verschiedenen Verhältnisse in den einzelnen Gemeinden wahrscheinlich schon zu weit. Immerhin dürfte das politische Wirken von Sebastian Kurz für den Erfolg der ÖVP in Niederösterreich eher gering zu veranschlagen sein.
Noch ein dritter bundespolitischer Aspekt verdient Beachtung. Die Taktik der ÖVP unter Sebastian Kurz wie auch die der SPÖ unter Hans Peter Doskozil ist bei aller sonstigen Verschiedenheit in einem Punkt weitestgehend gleich: Beide Erfolgspolitiker nehmen der FPÖ ihr Monopol für eine strenge Einwanderungs- bzw. Asylpolitik praktisch weg. Kurz setzt dies sogar unbeeindruckt von der entgegengesetzten Position der Grünen auch in der neuen türkis-grünen Bundesregierung so fort. Und Doskozil hat erst vor einer Woche mit dieser Taktik einen fulminanten Wahlsieg zu Lasten der Blauen eingefahren. Beide werden damit fortfahren und auf diese Weise die freiheitliche Wählerschaft auch künftig dezimieren.
Die FPÖ wird sich auf diese neue Gegebenheit einstellen müssen. Die Freiheitlichen können in Zukunft nicht mehr davon ausgehen, dass sie in der Einwanderungsfrage ein Quasi-Monopol besitzen. Sie werden sich darauf einrichten müssen, eine breitere Palette an mehrheitsfähigen Themen anbieten zu müssen.
Zusammenfassend muss man der jüngsten Landtagswahl im Burgenland bescheinigen, dass sie zwar in einem kleinen Bundesland stattfand, aber ihr Ergebnis großen Einfluss auf die Bundespolitik haben wird. Wir werden es erleben.
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- neusiedler-lake-5352728_1280: Claudia Kirchberger via Pixabay