Corona-Krisenkosten nicht durch Inflation oder Steuern decken

Von Karl Socher

Die Ursache und die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise sind vollkommen andere als bei einem normalen Konjunkturzyklus oder einer Finanzkrise. Deshalb müssen auch die Maßnahmen der Eindämmung der Krise und Wiederbelebung der Wirtschaft anders als bei einer Konjunktur sein, bei der die Ursache für den Abschwung gewöhnlich darin liegt, dass die Geldpolitik zu niedrige Zinsen ansetzte, um die Wirtschaft zu beleben und damit durch hohe Investitionen an das Produktionspotential (Arbeit und Kapital) stieß.

Dadurch entstehen Inflation und (bei fixen Kursen) Leistungsbilanzdefizite, die die Notenbank durch Zinserhöhungen zu begrenzen versucht, und damit eine Deflation mit Arbeitslosigkeit und nicht genutztem Kapital (Fabriken, Wohnhäuser etc.) auslöst, weil Preise und Löhne nicht flexibel genug sind, um zum Gleichgewicht zurückzukommen. Die Konjunkturpolitik kann dann durch zusätzliche Staatsausgaben infolge von Budgetdefiziten, die durch Geldschöpfung finanziert werden, den Nachfrage-Ausfall ersetzen oder abwerten. Die zusätzlichen Staatsschulden sollten dann in der Hochkonjunktur wieder zurückgefahren werden. Eine immer größere Staatsverschuldung wird von der Mehrheit der Ökonomen jedoch aus zwei Gründen abgelehnt: erstens werden die Zinsen und Rückzahlungen nicht von denen getragen, denen die Schulden zugute kamen, sondern auf zukünftige Generationen verschoben. Zweitens kann die Staatsschuld in den oft vorkommenden Fällen, in denen die Staatsschulden von der Notenbank gekauft werden, zur Schaffung von zu vielem Geld und damit zu Inflation führen.

Ebenso wie die Notenbank durch den Kauf neues Geld schafft, werden auch Banken, die diese Anleihen kaufen, Geld schaffen, denn sie schreiben dem Anleihebesitzer (auch einem Privaten so wie einem Kreditnehmer) den Geldbetrag als Sichteinlage gut. Die Sichteinlagen können für Zahlungen verwendet werden, zählen deshalb zur Geldmenge. Dieses „Giralgeld“ macht meistens viel mehr aus als die Bargeldmenge, die die Notenbank schafft. Allerdings müssen die Banken bei ihrer Geldschöpfung auch Einlagen bei der Notenbank besitzen, weil ein Teil der Zahlungen der Kreditnehmer auch mit Bargeld erfolgen wird. Damit kann die Notenbank durch die Kreditgewährung an die Banken das Ausmaß der Kreditgewährung und damit Geldschöpfung der Banken durch Zinspolitik regulieren und damit die Geldschöpfung steuern.

Wegen der Möglichkeit, dass Staaten sich durch Anleiheverkäufe an die Notenbank billig finanzieren und zu viel Geld schaffen, sind die Staatskreditgewährungen der Notenbanken verboten (z. B. der EZB). Außerdem ist deshalb die Verschuldung des Staates oft begrenzt (z. B. in der EU das Defizit und der Schuldenstand 3 % und 60 % des BIP).

In ungewöhnlicher Situation höhere Schulden gerechtfertigt

Die Situation war allerdings schon kurz vor der Coronakrise ungewöhnlich. Das Produktionspotential war voll ausgelastet, es herrschte sogar ein Facharbeitskräftemangel. Die Inflation war aber geringer als es die Notenbanken anstrebten, nahe an einer Deflation. Die Notenbanken (EZB und FED) senkten die Zinsen auf Null und sogar auf negativ und versuchten durch die Staatsanleihenkäufe mehr Geld zu schaffen, was ihnen aber nicht gelang, weil die Banken kaum Kredite vergaben und die aus Anleihekäufen der Notenbank geschaffenen Notenbankeinlagen der Banken nicht benötigten und dafür noch „negative“ Zinsen zahlen mussten.

Es gab deshalb schon vor der Coronakrise eine Neue Monetäre Theorie, die empfahl, dass die Notenbanken direkt – nicht über die Banken – neues Geld verteilen sollten, z.B. durch Helikopter einfach abwerfen. Die Vertreter diese Theorie empfahlen das jetzt für die Überwindung der Krise, um die Nachfrage, im besonderen den Konsum, zu erhöhen. Diese Methode ist sicher falsch, denn durch die großen Hilfszahlungen, Kredite, Garantien und Steuerausfälle von Staaten für Unternehmer und Arbeitnehmer, die in USA und Europa mehrere Billionen betragen werden, gibt es eher eine Inflation. Denn durch die Krise ist das Produktionsangebot stark zurückgegangen, und durch die Hilfen wird die Nachfrage erhöht, das ist die Situation einer Inflation.

Inflation sollte vermieden werden

Eine Inflation begünstigt die Schuldner (Staat und Unternehmen) und trifft die Gläubiger (Haushalte, Sparer) sowie Lohnempfänger und Pensionisten, wenn die Inflation nicht voll abgegolten wird. Eine Inflation sollte deshalb verhindert werden, darüber sind sich die meisten Ökonomen einig. Die Vermeidungspolitik muss jedenfalls bei der Finanzierung der zusätzlichen Schulden einsetzen, eine stärkere Ausweitung der Geldmenge muss verhindert werden. Wenn Banken und die Notenbank diese Schulden finanzieren, erhöhen sie die Geldschöpfung. Sie könnte dadurch verhindert werden, dass die zusätzlichen Schulden durch private Haushalte übernommen werden. Durch diesen Kauf wird kein neues Geld geschaffen. Bisher sind aber die Zinsen dieser Staatsanleihen durch die Politik der Zentralbanken, Staatspapiere zur Stützung aufzukaufen, entweder negativ oder niedriger als die Inflation, sodass ein Privater beim Kauf real verliert. Die Finanzminister rechnen sich aus, dass sie mit dieser Methode bei langfristigen Anleihen und leichter Inflation die Schulden zu einem großen Teil abbauen können. Das ist aber keine gerechte Politik, sie treibt die privaten Anleger dazu, den Immobilien- und Aktienmarkt in eine Blase zu treiben.

Mögliche Lösung des Schuldenproblems

Zuerst müssten die Regeln für die Begrenzung der Staatsschulden für diese „Corona-Schulden“ aufgehoben werden, was von der EU bereits akzeptiert wurde. Dazu wäre zu überlegen, die bisher gültigen Regeln der Bevorzugung staatlicher Schulden bei Notenbanken und Banken aufzuheben. Bei Notenbanken ist z. B. der Ankauf von Staatsanleihen auf dem „offenen Markt“, also nicht direkt, vom Staat erlaubt. Das könnte in der EU in Zukunft auf Anleihen jener Mitgliedsländer beschränkt werden, die die bisher bestehenden Schuldengrenzen (3 % und 60 %) einhalten. Bei Banken sind Staatskredite bevorzugt, weil für sie kein Kapital gehalten werden muss, wie bei Krediten an Private. Außerdem könnte für Staatskredite die gleiche Großkredit-Begrenzung wie bei privaten Krediten gelten: Eine Bank darf zur Begrenzung ihres Risikos nicht einen Großteil ihres Kreditvolumens an ihren Staat oder andere Staaten geben.

Um die Attraktivität von Staatsanleihen für Private zu erhöhen, sollten sie eine kleine reale Verzinsung haben, das heißt z. B. einen Zins von einem halben oder vollen Prozent, plus der Inflationsrate. Besteuert werden sollte nur der reale Zins. Es wäre auch zu überlegen, die Anleihen vor allem für Inländer attraktiv zu machen. Sonst fließt durch Käufe vom Ausland zusätzliches Geld ins Land und die Zinsen gehen ins Ausland. Japan hat eine Verschuldungsquote von 200 % des BIP, das ist für das Land tragbar, denn es ist eine fast ausschließliche Verschuldung gegenüber Inländern. Inländer könnten z. B. dadurch bevorzugt werden, dass sie die Anleiheverzinsung nur bei Steuerzahlungen erhalten, sozusagen einen „Bonus“.

Bei einer größeren Attraktivität für Private ist derzeit genügend Anlagekapital verfügbar. Die Privaten würden ihre Spareinlagen und festverzinslichen Anleihen, aber auch einen Teil der Sichteinlagen, in diese Anleihen umschichten, weil sie dabei reale Zinsen erhalten. Das ginge auf Kosten der Banken, die Einlagen verlieren, die ihnen aber keine Zinsen kosten.

Ein Problem für die Anleger ist es, dass heute Staaten nicht mehr so sicher sind wie früher, es gibt Staatskonkurse und Staatsschulden-Konversionen (z. B. Griechenland). Deshalb wäre es eine Möglichkeit, die Staatsschulden der Notenbank zu verkaufen, die dann diese Anleihen in Emissionen konvertiert, die die Notenbank dann am Markt mit den realen Zinssätzen verkauft. Der Staat hat keine Zinsen mehr zu zahlen, die Notenbank hat durch die Zinszahlungen weniger Gewinn und zahlt letztlich dann weniger Gewinn an den Staat.

Eine weitere Lösung für das Problem zu hoher Staatsschulden ist ungewöhnlich und würde neue gesetzliche Regeln erfordern. Die Zentralbanken könnten die gesamten Staatsanleihen, die sie besitzen, streichen. Sie sind ja eigentlich eine innerstaatliche Verschuldung, denn die Notenbank ist fast überall eine staatliche Institution. Sie benötigt die Anleihen nicht als „Deckung“ wie sie häufig populär gefordert wird. Die Deckung ist nur deshalb vorgeschrieben, um zu verhindern, dass die Notenbank zu viel Geld schafft und damit den Geldwert gefährdet. Die Notenbank ist auch nicht auf Gewinn gerichtet. Wenn die Notenbank ihre Staatsanleihen streicht, bekommt sie weniger Zinsen, der Staat bekommt weniger Gewinn von der Notenbank, hat aber dafür keine Zahlungen mehr für die Anleihen bei der Notenbank zu leisten. Die Notenbank bekommt eine Lücke in den Aktiven, die sie durch eine Übertragung eines Teiles der noch vorhandenen Staatsschulden decken kann. Dieser Teil der Anleihen in der Höhe der vorhandenen Lücke kann vom Staat an die Notenbank übertragen werden (ohne Zahlung an die Notenbank). Die Staatsanleihen werden dann in Anleihen der Notenbank konvertiert, sodass die Gläubiger nichts verlieren. Die Bedingungen (Zinsen, Rückzahlungen usw.) können die gleichen bleiben oder eventuell auf eine „reale Verzinsung“ umgestellt werden. Der Staat hat dann viel weniger Schulden und kann neue Schulden machen, ohne Schuldengrenzen stark zu überschreiten. Nun kann der Staat entweder weitere Anleihen auflegen, um von Privaten Geld zu erhalten.

Für die Banken müssten diese Angebote von real verzinsten Anleihen zwar einen Verlust an Spareinlagen ergeben, sie könnten aber auch davon profitieren, wenn sie diese neuen Anleihen als Deckung für Einlagen verwenden, die sie dann auch wenigstens geringfügig real verzinsen können.

Für die Deckung der Coronakosten wird auch vorgeschlagen, die hohen Kapitalreserven der Banken heranzuziehen. Die Banken haben nach der Finanzkrise 2008 höhere Kapitalreserven für die Bewältigung von Konjunktur- und Finanzkrisen vorgeschrieben bekommen. Diese Quoten haben die Banken in der Zwischenzeit um über 20 Mrd. € beträchtlich überschritten. Eine Möglichkeit, diese Reserven zu nützen, wäre die Beteiligung an der Kreditgewährung an Unternehmen, die durch die Coronakrise getroffen wurden. Das geschieht zwar schon mit Staatsgarantien der Kredite. Es bleibt aber bisher ein Risiko für die Bank, wenn sie die Aussichten genau prüft, ob sich das Unternehmen erholen kann, was aber in dieser Situation außerordentlich schwierig ist. Eine Übernahme dieses Risikos durch die Staatsgarantie würde helfen. Dazu wäre zu überlegen, ob die Banken sich auch mit Beteiligungen an solchen Unternehmen Hilfe leisten könnten. Wenn sie durch die Beteiligung bei Erfolg der Sanierung Erträge erzielen, können sie die Beteiligung auch wieder verkaufen. Grundsätzlich sollten sich Banken nicht an den Unternehmensrisiken beteiligen, denn es handelt sich eigentlich um Unsicherheiten, sowie die Coronakrise, und nicht um einschätzbare, berechenbare Risiken. Im Zug der Wiedererholung lassen sich aber die Risiken eher einschätzen, die dann durch die vorhandenen Kapitalreserven abgedeckt werden können.

Für EU wohl kaum erreichbar

Alle diese Vorschläge wären wohl nur in Ländern mit autonomer Geld- und Fiskalpolitik, wie der Schweiz, Großbritannien oder USA zu verwirklichen. In der Eurozone würde sich wohl kaum eine Einstimmigkeit ergeben, schon bei der Frage, welche Länder von der Streichung der Anleiheschulden bei der EZB mehr oder weniger profitieren. Die Situation ist in den einzelnen Ländern verschieden. Manche Länder, wie Griechenland und Italien, sind hoch verschuldet, andere nur gering. Für manche Länder wäre eine expansive Geldpolitik besser, in anderen eine restriktivere. Eine einheitliche Politik kann dann zu den Krisen wie in Griechenland und Italien führen. Gerechterweise sollten für jedes Land nur diejenigen Schulden gemeinsam abgedeckt werden, die nur durch die Coronakrise entstanden sind. Dieses Ausmaß wird aber erst feststellbar sein, wenn die Krise vorbei ist.

Die EU wird auch kaum die Änderungen der EZB und Bankenaufsichtsregeln beschließen können, die vorgeschlagen werden. Die Hilfen der EU und der EZB werden hauptsächlich durch Anleihen finanziert. Dabei müsste genauso wie bei den Staatshilfen darauf geachtet werden, dass die Finanzierung nicht über Geldschöpfung, von der EZB und Banken erfolgt.

Besser Schuldenlösung als Steuererhöhungen und Verstaatlichungen

Die Deckung der Coronakosten durch Anleihen wäre jedenfalls gerechter als die vielfach vorgeschlagene höhere Steuerbelastung. So wird etwa in EU-Ländern vorgeschlagen, die Finanztransaktionssteuer einzuführen, oder die Steuervermeidungen von großen internationalen Unternehmen zu beseitigen. Beide Methoden bringen aber viel zu wenig. Das gilt auch für den Vorschlag einer Erbschaftssteuer für hohe Vermögen.

Eine Einführung oder Erhöhung von Vermögenssteuern trifft auch diejenigen, die schon hohe Einkommenssteuern bezahlen, und deren Vermögen durch den Aktienkursverfall stark verringert wurde. Es gibt schon fünf Besteuerungen von Vermögen in Österreich: die Grundsteuer, Grunderwerbssteuer, Wertpapier- und Immobilien-Wertzuwachssteuern und Kapitalertragssteuer. Die Wertzuwachssteuern sollen zwar, wie der Name sagt, nur den Wertzuwachs besteuern. Das wäre eine Einkommensbesteuerung. Aber tatsächlich wird der Wertzuwachs durch die Inflation (bis auf eine kleine Ausnahme) einbezogen und damit nicht der reale Wertzuwachs, sondern auch die Inflation besteuert. Das gleiche gilt für die Kapitalertragssteuer, die die nominalen und nicht die realen Zinsen besteuert. Würde man diese Besteuerungen auf den realen Wertzuwachs beschränken, könnte man gerechterweise diese Einkommenssteuer auch der Progression unterwerfen. Allerdings bleibt noch das Problem, dass dann eigentlich auch Verluste von realem Wert berücksichtigt werden müssten.

Vermögenssteuer soll nach AK-Schätzungen 7 Mrd. Euro bringen

Eine Vermögenssteuer, wie sie vorgeschlagen wird, soll, nach Schätzungen der Arbeiterkammer, 7 Mrd. bringen. Die Coronakosten werden derzeit auf etwa 40 Mrd. geschätzt. Daher müssten jedenfalls jetzt Schulden aufgenommen werden. Sie müssen derzeit mit so niedrigen Zinsen ausgestattet sein, dass sie real fast nichts kosten. Eine Rückzahlung kann weit in die Zukunft verschoben werden, kurzfristige Anleihen können durch neue Anleihen ersetzt werden. Der Bund hat vor kurzem eine 100-jährige Anleihe begeben. Eine Vermögenssteuer kann also vermieden werden.

Wenn man nur die Steuerzahler mit den Kosten belasten will, so trifft man in Ländern mit hoher steuerlicher Umverteilung wie z. B. in Österreich vor allem das ungefähre obere Drittel der Einkommensbezieher, das die Steuern tatsächlich trägt. Das mittlere Drittel, der Mittelstand, trägt durch seine Steuerzahlungen ungefähr die Staatsleistungen, die er in Anspruch nimmt.

Das untere Drittel zahlt keine oder weniger Steuern

Das untere Drittel zahlt entweder keine, oder jedenfalls weniger Steuern, als es vom Staat durch Transferleistungen (Kindergeld usw.) und Leistungen, wie z. B. Gesundheitswesen, erhält. Diese Leistungen werden vom oberen Drittel der Steuerzahler finanziert. Die Lasten der Coronakrise sollten deshalb auf alle Teile der Bevölkerung aufgeteilt und nur der unterste Teil, das bisherige Existenzminimum, ausgenommen werden.

Neben der Vermögens- und Erbschaftssteuer werden auch Staatsbeteiligungen vorgeschlagen und zum Teil (in Wien) auch durchgeführt. Aus allen Erfahrungen mit Staatsbeteiligungen ist aber deutlich zu erkennen, dass eine Unternehmensführung durch den Staat ineffizient ist. Wenn eine Hilfe durch Beteiligungen erfolgreich sein soll, ist sie eher durch Beteiligungen von privaten Unternehmen, z. B. durch Banken, zu erreichen.

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