Die Renaissance des Nationalstaates

Von Fabian Walch

Die Corona-Krise hat die Welt noch immer fest im Griff und lässt alle den Atem anhalten. Die immer lauter werdenden Rufe nach einer grundlegenden Veränderung lassen sich nicht mehr medial wegretuschieren. Sind es am Ende gar seismische Wellen, die von einer künftigen Zeitenwende künden? Eines ist sicher: Das Virus wird unsere Welt nachhaltig verändern, dem Ende des „Lockdowns“ kein nahtloser Neubeginn folgen – dafür sind dessen Auswirkungen zu gravierend, nicht nur auf volkswirtschaftlicher Ebene.

Frei nach Friedrich Hebbel gilt in dieser Situation heute wie damals: „Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält.“ Sein wichtigster Akteur und Sachwalter der Krise soll Gegenstand der vorliegenden Betrachtung sein: der Nationalstaat.

Eines vorausgeschickt: Der Nationalstaat gilt im „juste milieu“ (frz.: in der „richtigen Mitte“) seit Dezennien als politisches Modell, das überwunden werden soll. Obgleich noch nicht gestorben, befände er sich zumindest in der Agonie, in seinen letzten Ausläufen, verteidigt nur von den verbliebenen Kräften der Reaktion. Doch die linksliberale Deutungsmacht täuscht über die Realität hinweg: Er ist nur leise geworden, hat sich in die zweite Reihe zurückgezogen und unscheinbar seinen Dienst verrichtet. Er hatte keine Lobby, keinen Platz in der Hagiographie des linksliberalen Establishments, das lieber vorbehaltlos supranationalen Gebilden huldigte. Ihm fehlte der öffentlichkeitswirksame Zuspruch von Geistesgrößen wie Robert Menasse, österreichischer Anwärter auf den „Claas-Relotius-Preis für erfundene Fakten“ (vgl. GENIUS 2/2019, Bernd Stracke in „Relotieren und Menassieren“). Doch in Krisenzeiten überholt die Realität die Fiktion. Die Corona-Krise lässt uns nun erkennen, dass sich dieses scheinbar morsch gewordene politische Gemeinwesen seiner alten Stärke besinnt. Der Nationalstaat erhebt sich wie Phönix aus der Asche. Dies wird in einigen wesentlichen Bereichen durch die Corona-Krise zunehmend evident.

Grenzschutz

Ein Wesensmerkmal des Nationalstaates ist das Staatsgebiet, welches klar umrandet ist und dementsprechend eine Grenze besitzen muss. Im Jahre 2015, dem ersten großen Höhepunkt der Migrationskrise, wurde das Postulat der Unmöglichkeit einer Grenzschließung mannigfach von Medien, großen Wirtschaftstreibenden, diversen linksgerichteten NGOs und der kulturschaffenden Szene kolportiert. Diese Kräfte agierten letztlich in einer symbiotischen Interessengemeinschaft mit der damaligen parteipolitischen Konstellation, die Zuwanderer optional als billige Arbeitskräfte, Wählerreservoir oder als Mittel zur endgültigen Durchsetzung des Multikulturalismus betrachteten. Im Jahre 2020 hingegen wurde der Grenzschutz plötzlich ein probates Mittel zur Viruseindämmung: schnell, effizient und von Parteien jedweder politischer Couleur getragen. Anders auf supranationaler Ebene, wo beispielsweise die EU die Außengrenzen erst viel zu spät und bis heute in nur rudimentärer Form zu schließen bereit war. Statt Lob für die Aktivierung des wirkungsvollen nationalstaatlichen Mechanismus zum Schutz des Staatsvolkes zu zollen, tadelten hochrangige EU-Bürokraten die „nationalen Alleingänge“.

Wo kein Heer, da kein Grenzschutz!

Ein weiterer Eckpfeiler des Nationalstaates, dem – durch notorische Diskreditierung und mangelnde Finanzierung – den Garaus zu machen seit Jahren versucht wird, ist in der aktuellen Notsituation wichtiger denn je: das Bundesheer. Ein klares Feindbild selbsternannter Pazifisten, die ob ihrer Unkenntnis oder ideologischen Verblendung verkennen, welch umfangreicher Tätigkeitsbereich den Aktionsradius eines Bundesheersoldaten kennzeichnet, und welch bedeutsame Rolle dieser in einer Krise spielt. Dem Einsatz der Truppe folgte die mehrheitlich befürwortete Mobilisierung des Milizheeres – ein Novum in der Zweiten Republik. Auch hierbei zeigt sich dasselbe Meinungsbild wie bei der Reaktivierung der Grenze. Politiker aller Couleur und eine solide Bevölkerungsmehrheit erachten Präsenz und Hilfe des Bundesheeres als notwendig und wichtig, seine Daseinsberechtigung ist urplötzlich wieder unbestritten.

Ein Heer, welches die Bevölkerung in Krisenzeiten schützt, Freiheit und Souveränität im Ernstfall verteidigt, gehört unweigerlich zu den Stützen eines funktionierenden Gemeinwesens, wie dem des Nationalstaates. Selbst wenn abseits von Krisen der Ausbruch eines Staatenkrieges aktuell (glücklicherweise) unwahrscheinlich dünkt, so sind unkonventionelle Formen der Kriegsführung, wie es der islamische Terror der letzten Jahre gezeigt hat, nichtsdestotrotz Teil des 21. Jahrhunderts. Glücklich ist, wer in solchen Zeiten auf ein funktionierendes Heer zurückgreifen kann.

Familie und Solidarität

Die „Rückkehr in eine biedermeierliche Beschaulichkeit“ konstatiert der konservative deutsche Publizist Andreas Lombard im Zweimonatsmagazin Cato in Bezug auf den „Lockdown“. Und ja, es kommt tatsächlich partiell zu einer Rückbesinnung auf die Familie als Keimzelle der Gesellschaft und kleinste Einheit der nationalstaatlichen Gemeinschaft. Zugleich erlebt sie seit Jahrhunderten als sinnstiftendes Element des menschlichen Daseins Angriffe von mehreren Seiten. So wollten die liberalen Vordenker David Hume und Adam Smith die tradierten Familienbande überwunden sehen, um eine ganzheitliche Durchdringung der ökonomischen Rationalität zu ermöglichen. Auf der linken Seite hingegen versuchen seit über 150 Jahren Karl Marx und dessen Epigonen, wie beispielsweise die heute in der akademischen Geistes- und Sozialwissenschaft hegemoniale Frankfurter Schule, die Familie zu überwinden, um den neuen, bindungslosen Menschen zu schaffen, den man damit seines letzten Rückzugsortes berauben würde. Eine gute Familienbande ist krisenfest.

Was für die Familie im Kleinen gilt, gilt auch für die Gemeinschaft im Großen. Der „Lockdown“ rief eine Reihe von solidarischen Handlungen in der Bevölkerung hervor. Jüngere tätigten für die zur Risikogruppe zählenden älteren Nachbarn die Einkäufe, Verwandte unterstützten einander wieder gegenseitig, Freiwillige kamen in altruistischer Manier überall zur Hilfe, wo diese benötigt wurde, von der hervorragenden Arbeit, die diverse Organisationen wie etwa das Rote Kreuz geleistet haben, gar nicht zu reden.

Man halte nun kurz inne und stelle sich die Frage, ob ein Appell an die „Summe der schon länger hier Lebenden“ dieselbe Wirkungsmächtigkeit zu erzielen im Stande ist wie jener, der sich unmittelbar an das Nationalbewusstsein richtet, an das Zusammengehörigkeitsgefühl, das aus der tiefen Verwurzelung mit der Heimat entspringt. Diverse Studienergebnisse weisen jedenfalls allesamt in dieselbe Richtung: Solidarität korreliert mit Homogenität.[1]

An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass der freiheitliche Solidaritätsbegriff nicht analog, sondern antagonistisch zum sozialistischen gebraucht werden soll, da er sich weder zur begrifflichen Erfassung von abstrakten, „konstruierten Gemeinschaften“ eignet, noch als Schlachtruf, der beim jährlichen Maiaufmarsch zwischen den Zeilen des rassistischen Getrillers „Kill all the White Man“ erschallt – wahrlich Solidarität und Menschenverachtung pur.

Staat

Ein moderner Nationalstaat benötigt unterschiedliche Institutionen mit oftmals hierarchischer Ordnung, um als solcher zu gelten. Wie groß das Vertrauen in die jeweilige Institution ist, weist je nach Staat und Institution gravierende Unterschiede auf. Gerade bei der Exekutive spielt die Autorität eine besonders wichtige Rolle. Neben dem Militär sind hier besonders Justiz und Polizei von Bedeutung und auf breite Akzeptanz angewiesen. Die Krise hat gezeigt, dass diese in Österreich in ausgeprägtem Maße vorhanden ist. Das Fundament der möglichst homogenen Schicksalsgemeinschaft ist ausschlaggebend, um die entsprechende Institution mit der nötigen Macht auszustatten. Zu beobachten ist, dass migrantische Gruppen, die sich in Parallel- oder Gegengesellschaften organisieren, staatlichen Institutionen entsprechend weniger Respekt entgegenbringen und diese zu wenig, meist gar nicht, akzeptieren.

Völlig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sind die sogenannten Staatsziele beziehungsweise der Staatszweck. In Österreich ist lediglich die immerwährende Neutralität, die während der letzten Bundespräsidentschaftswahl wieder einmal zum Thema wurde, allgemein bekannt. Mit der Krise rückt dieses subjektive Recht wieder ins Gedächtnis der Bevölkerung. Die Bekämpfung beziehungsweise Eindämmung des Virus wird zum Staatsziel erhoben, auch wenn dies nicht immer explizit genannt wird. Notwendig sind der breite Konsens des Staatsvolkes und dessen ausdrücklicher Wille.

Neben den institutionellen und abstrakten Staatsaspekten gibt es aber auch wirtschaftliche, die nationalstaatlichen Rahmenbedingungen unterworfen sind. Besonders diesbezügliche Mängel traten durch die Corona-Krise ans Tageslicht. Sollte der Krise eine, unmittelbar die Katastrophenprävention betreffende, Folgerung entspringen, so ist es sicherlich sinnvoll, lebensnotwendige medizinische Produkte und Ausrüstungen möglichst im Inland, auf jeden Fall nicht zur Gänze im Ausland, produzieren zu lassen. Um an dieser Stelle keine Illusionen zu erzeugen: Von Autarkie ist keine Rede, lediglich sollte eine einseitige Überabhängigkeit von bestimmten Staaten wie China reduziert werden, bei gleichzeitiger Stärkung des regionalen Gedankens. Eine Politik, deren Bezugspunkt der Nationalstaat und deren Maxime das Wohl des Staatsvolkes ist, hätte der Auslagerung von lebensnotwendigen Produkten zu Ungunsten der heimischen Arbeitnehmer längst entsprechend Rechnung getragen. Die wachsende Nachfrage nach heimischen Produkten zeigt sich schließlich nicht erst seit der aktuellen Krise.

Der Nationalstaat regelt nicht nur die Grundlage zur Versorgung mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Produkten, sondern schafft grundsätzlich die Rahmenbedingungen für unser Leben. Er stellt all unsere lebens- und systemerhaltenden Bereiche sicher: sei es die medizinische Versorgung, das soziale Netz, die Strom- und Trinkwasserversorgung oder die Versorgung mit Lebensmitteln. All das kann jedoch nur auf nationaler Ebene geschehen, da es dafür Grenzen bedarf.

Dies gilt in gleichem Maße für Sozialsysteme. Ein europäisches Sozialsystem ist undenkbar, ein globales utopisch. Auch Internationalität kann es nur mit seinem Gegenstück, der Nationalität, geben, was gerade von der linken Reichshälfte völlig übersehen wird. Dementsprechend kann internationale Solidarität nur auf nationaler Basis funktionieren, wie Solidarität zwischen den Staaten und Unterstützung, die über supranationale Organisationen hinausgeht. Wer hätte sich je träumen lassen, dass Kuba, Russland und China Italien zur Seite stehen, während sich die Europäische Union in Schockstarre blamiert.

Die Europäische Union

Für die EU-Zentralisten ist es ein herber Rückschlag, für die Subsidiaritätsbefürworter eine Bestätigung ihrer Positionen. Die Europäische Union hat bisher in allen Krisen versagt. Von der Finanzkrise über die Flüchtlingskrise bis hin zur aktuellen Corona-Krise. Es zeigt sich, dass in Krisenzeiten nur die Nationalstaaten selbst wirklich handlungsfähig sind und als Bezugspunkt der Bevölkerung dienen. Nationalstaaten sind in ihrem ursprünglichen Sinn Schicksalsgemeinschaften. Gruppen von Menschen, die sich zusammenschließen, um den Stürmen der Zeit zu trotzen. Für diesen Zusammenschluss bedarf es aber ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten, weshalb gerade homogene Staaten Krisen besser meistern. Die von der Linken als sakrosankt erklärte Multi-Kulti-Gesellschaft, also der pluralistische Staat, erweist sich als fragiles Kartenhaus. Gerade in Krisen brechen Egoismen auf, die sich zu sozialen Konflikten verschärfen können. In einem möglichst homogenen Nationalstaat, also einer Volksnation, können diese einfacher kanalisiert und abgefedert werden. Es gilt die Faustregel: Je mehr Unterschiede vorherrschen, desto mehr Konfliktpotential besteht. Es geht hier jedoch nicht um politische Pluralität, sondern vielmehr um kulturell-religiöse. Die Rückbesinnung auf die Nation als Schicksalsgemeinschaft auf völkischer Grundlage ist wünschenswert. Oftmals wird übersehen, dass Europa schon vor den modernen Wanderungsbewegungen ein multikultureller Kontinent war. Diese Vielfalt bestand jedoch auf nationaler Grundlage.

In diesem Sinne flammt auch in Südtirol die Freiheitsbewegung wieder neu auf. Die Krise lässt erkennen, dass die Grenze am Brenner eben doch nicht nur in den Köpfen besteht, wie es gebetsmühlenartig von fast allen Seiten immer postuliert wurde. Diese Grenze ist echt und diese Grenze ist aktuell dicht! Das lässt die Menschen in Südtirol wieder erkennen, dass sie Italien tatsächlich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, was sie sehnsüchtig ins österreichische Vaterland blicken lässt. Der Wunsch vieler Südtiroler – aufgrund der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturraum – auch mit eben jenem in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden sein zu wollen, ist allgegenwärtig und gerade jetzt wieder aktueller denn je. Diese Sehnsucht und der Wunsch nach Freiheit prangen nun wieder, für alle sichtbar in Flammenlettern geschrieben, stolz an den Hängen der Berge und zeigen den Besatzern in Rom, dass der Freiheitswille der Südtiroler auch nach 100 Jahren Fremdherrschaft nicht gebrochen werden konnte. Dieser unüberhörbare Ruf nach Freiheit ist selbst jenseits des großen Teiches vernommen worden, wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht der New York Times bekundet.

Geschichte und Nationalbewusstsein

Daneben kommt im Zuge der aktuellen Krise auch der Rekurs auf die positiven Aspekte der eigenen Geschichte wieder in Mode. Eifrig werden die Meistererzählungen hervorgekramt und nach ähnlichen Krisen und Katastrophen gesucht, um auf Basis von historischen Analogien – ob passend oder nicht – den nationalen Zusammenhalt zu forcieren. Dabei lebt eine nationale Identität vom positiven Bezug zur eigenen Herkunft und Geschichte, ermöglicht Rückgriff auf Erfahrung und (politische) Entscheidungen auf Basis von Überlieferung statt auf sich beständig verflüchtigende Moden. Besonders die großen Pestepidemien (die beispielsweise Polen im 14. Jahrhundert weitestgehend verschonten, weil König Kasimir der Große Quarantäne an den Grenzen verordnete) sowie die Spanische Grippe, der Umgang mit diesen Epidemien, aber auch die Fragilität des Individuums darin, sind wieder in aller Munde und Presse. Zweckdienlicher wird plötzlich also Geschichte jenseits vom Unheil des Zweiten Weltkriegs zugelassen.

Jedoch werden auch wieder Erinnerungen an die Schattenseiten wach. Vielerorts versuchen die Regierenden die Krise zu nutzen, um ihre Macht auszubauen und, so wie Proponenten der Volkspartei in Österreich, die Grenzen der Demokratie und des Rechtsstaats zu überschreiten und tiefgreifende Einschränkungen unserer Freiheit vorzubereiten. Der ÖVP-Vorstoß mit Überwachungs-App und Schlüsselanhänger mit Standortbestimmung lassen jedem freiheitlich denkenden Menschen einen Schauer über den Rücken laufen. Nicht selten hört man dieser Tage Vergleiche mit der einschränkenden Biedermeierzeit des Vormärz und fühlt sich beim Regierungschef vonTürkis-Grün an Metternich erinnert. Ungeachtet der Intention jedoch zeigt sich, dass der propagierte nationale Schulterschluss funktioniert. Die Bürger sind sich nach wie vor ihres nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls bewusst, was sie in der Krise stärkt. Es zeigt aber auch, dass verschiedene Migrantengruppen, die sich bisher der Assimilation erfolgreich entzogen haben, diesem nationalen Schulterschluss nicht verpflichtet oder sich gar nicht erst angesprochen fühlen.

Fazit: Staatliche Handlungsfähigkeit und Souveränität statt supranationaler Union!

Lassen wir abschließend nochmal die Koryphäe des „intellektuellen“ Parts Österreichs, Robert Menasse, zu Wort kommen, diesmal als Sachwalter der Krise. Der Nationalstaat, so Menasse in Anlehnung an Max Frisch, sei ein „zufälliges Konstrukt“.[2]

Der Nationalstaat ist kein beliebiges Konstrukt, sondern ein organisch gewachsenes Gemeinwesen, die Summe von Arbeit und Pflege vieler Generationen, Produkt steter Verbesserung und Modifizierung, eine institutionelle Ordnung, die den Lebensrealitäten seines Staatsvolkes folgt.

Ein Konstrukt hingegen sind die verschiedenen zeitgenössischen Supranationalismus-Entwürfe, die in den Köpfen sogenannter „Intellektueller“ herumgeistern und von einer sich weiter ausdehnenden EU (Türkei, Albanien, …) bis hin zu einem Weltstaat reichen. Kein politisches Gemeinwesen kann auf dem Reißbrett entworfen und über eine beliebige Gruppe von Menschen gestülpt werden. In der EU hingegen wird ebendieses Experiment durch eine weitere Zentralisierung und Einigung unter sozialistischen Vorzeichen vorangetrieben. Der Aufnahmezwang von muslimischen Migranten gegenüber der Visegrád-Gruppe, die ausschließliche Restauration historischer Gebäude im unästhetischen Stil der Moderne, die immer stärkere Einmischung des EuGH in die nationale Gesetzgebung, sowie der weitestgehende Verzicht auf ein demokratisches Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung – eine der vielen historischen Errungenschaften des nationalliberalen Lagers – sind allesamt Beispiele einer Politik, die die Lebensrealität der europäischen Völker verkennt. Zudem führt diese Einigung unter dem Postulat der Vielfalt letztlich zur Nivellierung in die Einfalt, in eine wurzellose Bevölkerung.

Neben der EU als politische Institution und der Globalisierung als weltumspannendes Phänomen ist ebendieser Typus Mensch, der Kosmopolit, Verlierer dieser Krise. Im „Kulturkrieg“ triumphieren plötzlich die „Somewheres“ (Irgendwo-Menschen) über die „Anywheres“ (Nirgendwo-Menschen), wie der britische Autor und Journalist David Goodhart die diametralen Gruppen der Moderne, die scheinbar völlig unvereinbar durch einen sozio-ökonomischen und kulturellen Bruch getrennt sind, genannt hat. Dabei hat es lange Zeit danach ausgesehen, als würden die Verwurzelten eine aussterbende Art sein.

Als die Zeit dafür reif war, pflegte im alten Rom der ältere Cato seine Reden mit dem gewichtigen Ausspruch enden zu lassen: „Ceterum autem censeo Carthaginem esse delendam“ („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss“). Womöglich muss die EU in dieser Form verschwinden, damit Europa und seine nationalbedingte Vielfalt leben kann. So wie Rom während der Punischen Kriege mehrmals vor der sicheren Niederlage stand, aber letztlich gestärkt als Sieger hervorging, erhebt sich auch der Nationalstaat und zeigt seine wahre Stärke in Zeiten der Not. Er trotzt dem „One-World“-Zeitgeist und erlebt eine Renaissance. Der Nationalstaat kann, und das ist zu hoffen, ein Erfolgsmodell mit Zukunft sein!

Anmerkungen

[1] Zwei exemplarisch ausgewählt: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/wolfgang-streeck-je-heterogener-die-gesellschaft-desto-schwaecher-der-sozialstaat/104226-4.html;Paul %20Collier und: Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen, Pantheon 2016.

[2] https://www.bmeia.gv.at/oesterreich-bibliotheken/kaffeehaus-feuilleton/detail/article/robert-menasse-heimat-ist-die-schoenste-utopie/

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