Zunehmende Jugendkriminalität und ihre Bekämpfung

Von Wilhelm Lahres

Kürzlich wurde in verschiedenen Medien lautstark Klage über die rasant zunehmende Jugendkriminalität geführt[1], eine Entwicklung, vor der erfahrene Polizeipraktiker schon seit vielen Jahren nachdrücklich warnen. Ursachen des unerfreulichen Phänomens sind nicht nur die gesellschafts- und kriminalpolitischen Entwicklungen, die demographischen Veränderungen in der europäischen Gesellschaft und die zunehmende Wohlstandsverwahrlosung, sondern insbesondere das starke Verschwinden bzw. die vorsätzliche Beseitigung aller hierzulande bislang als allgemeingültig akzeptierten Verhaltensnormen.

Wie ist das gekommen?

Begonnen hat es schon in den 1960er-Jahren mit dem aufkommenden Haschischkonsum durch oft in Kommunen hausenden oder sonstwie aufmüpfigen Jungeltern, die lieber bis Mittag schliefen als sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Zur Beschönigung ihres beschaulichen Faulenzerlebens hat man dies dann „antiautoritäre Erziehung“ getauft. Klar wurde dieses „Erziehungsmodell“ von den solcherart „erzogenen“ Kindern folglich mitunter an die nächsten Generationen weitergegeben. Ein weiterer Pullfaktor in die traurige Richtung ist die rasante demographische Veränderung unserer Gesellschaft. Die Menschen werden im Schnitt immer älter und damit im Alter immer unbeholfener. Die jugendlichen Kriminellen, bei denen es sich durchwegs um durch und durch feige Kerle (bisweilen auch Kerlinnen) handelt, suchen sich klarerweise die Schwächsten unter den Opfern aus, deren Zahl indes ständig zunimmt. Nicht übersehen darf in diesem Zusammenhang weiters werden, dass das Straftäterspektrum, ähnlich wie in der Tier- und Pflanzenwelt auch, durch Zuwanderung nach und nach nachhaltig invasiv oder symbiotisch beeinflusst und damit ein starker struktureller Wandel der Jugendkriminalität insgesamt bewirkt wird.

Strafjustiz als Korrektiv hat sich verabschiedet

Überdies sind die Neuankömmlinge z. T. durch Vorstellungen geprägt, die autoritären, gewaltbereiten und anpassungsresistenten Strukturen entstammen. Durch häufigen Austausch mit der einheimischen Jugendszene werden diese Stereotypen dann von dieser immer weiter übernommen. Ein klarer Fall von umgekehrter Integration durch Osmose! Nicht erstaunlich daher, dass dem Messer in der kriminellen Jugendszene neuerdings große Bedeutung zukommt. Den bedeutendsten Wandel in die nunmehr so stark beklagte Richtung hat allerdings der Umstand bewirkt, dass sich die Strafjustiz schon lange von ihrer wichtigen Rolle als Korrektiv sozial unerwünschten Verhaltens verabschiedet hat. Es sei hier nur auf das Jugendgerichtgesetz 1988 verwiesen, das dem Richter weitgehend die Möglichkeit nimmt, schuldangemessene Sanktionen zu verhängen. Dies auch im x-ten Wiederholungsfall, solange bis eben – in der durch ständiges Tolerieren genährten falschen Erwartung – von Jugendlichen schwere Verbrechen verübt werden.

Grundsätze des offenbar von praxisfernen Theoretikern entwickelten Modells sind etwa: Vorrang der Spezial- vor der Generalprävention, erleichterter Rücktritt von der Strafverfolgung, Rücksichtnahme auf das Fortkommen des Jugendlichen, Möglichkeit des Schuldspruches ohne Strafe, keine oder verkürzte U-Haft, keine Privat- oder Subsidiaranklagen und vor allem verfahrensrechtliche Einbindung von gerichtsfernen Personen (Jugendgerichts- und Bewährungshilfe).

Die genannten Rechtswohltaten mögen unter den im Jahre 1988 herrschenden kriminogenen Verhältnissen, vor allem bei Ersttätern und Kleinkriminellen, durchaus noch vertretbar gewesen sein. Heute ist, insbesondere mit Rücksicht auf die rasante Entwicklung einer Jugend-Schwerkriminalität, eine Novellierung des JGG hingegen wohl dringend geboten.

Der erste Totschlag ist frei?

Ein Beispiel von vielen: 5. Juni 2020, kurz vor Mitternacht, Linz, Hauptplatz, Straßenbahnhaltestelle: Ein 38-jähriger, später allgemein als freundlich und hilfsbereit beschriebener dreifacher Familienvater, trifft auf einen 16-jährigen Burschen aus Leonding, mit dem er bereits vorher in einem Linzer Lokal eine Auseinandersetzung gehabt haben soll. Der Streit geht an der Haltestelle weiter. Der 16-Jährige versetzt seinem Kontrahenten einen Schlag gegen den Kopf, dieser wird bewusstlos, stürzt und schlägt so unglücklich auf, dass er einige Tage danach in der Linzer Klinik seinen Verletzungen erliegt. Der Täter flüchtet, kann aber kurz nach dem Geschehen ausgeforscht und festgenommen werden. Er soll gestanden und angegeben haben, er habe nur vorsorglich zugeschlagen, um einem Angriff seines Gegners zuvorzukommen. Unbegreifliche Reaktion der Justiz: Anzeige auf freiem Fuß! Wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Oberösterreich im ORF erklärte, liege kein Haftgrund vor. Der Verdächtige sei bislang unbescholten und habe einen festen Wohnsitz. Gerade dass sie nicht noch gesagt hat, der Brave habe ja bisher noch niemanden totgeschlagen! Was soll‘s also! Der mit dieser Entscheidung bei der juristisch ungebildeten Jugend bewirkte fatale Eindruck liegt auf der Hand: Jeder Jugendliche hat einen Totschlag frei, bevor er in U-Haft kommt!

Woher kommt der sozialromantische Utopismus?

Ausgangspunkt dieser wohl grenzenlosen Naivität ist die im 19. Jahrhundert entwickelte Vorstellung, wonach man durch Milde, Güte und Hinwendung auch aus dem brutalsten Straftäter einen braven Edelmenschen machen könne („Das Sein bestimmt das Bewusstsein“). So hat z. B. der frühere Leiter einer großen Strafanstalt wiederholt erklärt, er sei schon froh, wenn er aus einem Mörder einen Dieb machen könne. Tatsächlich ist es just ihm, zumindest in einem Fall, widerfahren, dass sich „sein“ Mörder in der Folge allerdings als mutmaßlicher Serienmörder entpuppt hat. Gerade von jugendlichen Intensivtätern werden Nachsicht und Milde vielfach als Schwäche der Gesellschaft aufgefasst, die sich gegen sozial schädliches Verhalten entweder nicht wirksam zur Wehr setzen kann oder es vielleicht auch gar nicht will. Autoritäten haben heute bei ihnen keinen Stellenwert mehr. Lehrer, Polizeibeamte und Richter werden ausgelacht, verhöhnt, manchmal bespuckt und angegriffen, in schlimmeren Fällen verletzt, und im allerschlimmsten Fall verliert das Opfer sogar sein Leben.

Was tun?

Das Rezept ist so einfach wie wirkungsvoll: Man muss den Betreffenden die Grenzen ihres Handlungsspielraumes so verdeutlichen, dass sie die bezüglichen Konturen selbst unter Einfluss eines dominanten Bandenführers oder unter Alkohol- respektive Suchtgifteinfluss wahrnehmen können. Überschreitungen dieser Grenzen sind nachhaltig und in geeigneter Weise zu sanktionieren, sodass jedwede Lust auf weiteres Verbleiben in der „Szene“ restlos verschwindet. Klartext statt Verkleisterung ist angesagt! Dies ist freilich kein neues Rezept. Es wurde schon vor über 200 Jahren vom berühmtesten Strafrechtsgelehrten und Humanisten seiner Zeit, Anselm v. Feuerbach, als Theorie des psychologischen Zwanges entwickelt. Mit weiteren Wohlfühlprogrammen, Streicheleinheiten und Gutzureden wird bei einem leider schon bereits fast strafresistenten Personenkreis die gesellschaftliche Talfahrt zu Lasten der gesetzestreuen Bevölkerung rasant weitergehen.

Um (absichtlichen) Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um Heranwachsende, die einen einmaligen Fehltritt zu verantworten haben, sondern um schwerkriminelle Jugendliche und junge Erwachsene. Man bedenke, dass aus jugendlichen Intensivtätern von heute nicht selten morgen schon Berufs- oder Schwerverbrecher werden. Die in Deutschland bereits weitgehend abgeschlossene Clanbildung wird dann auch bei uns nicht mehr zu verhindern sein.

Die Politik regt eine wissenschaftliche Studie an – was ist davon zu erwarten?

Das mutmaßliche Ergebnis einer von der Politik neuerdings angedachten wissenschaftlichen Studie ist nicht schwer zu prognostizieren. Die Ursachen für die explosionsartig zunehmende Jugendkriminalität würden die Studienautoren demnach vermutlich finden in:

  • der jeweiligen schweren Jugend der Betreffenden, ihrer gesellschaftlichen und/oder schulischen Benachteiligung, der mangelnden Förderung sowie sonstigen Benachteiligungen und die dadurch verursachten Kränkungen bzw. Traumatisierungen,
  • fehlenden Geldmitteln für Sonderstützungen und Hilfsprogramme verschiedener Art sowie in der fehlenden Bereitstellung individueller Handreichungen in Schule, Freizeit und Familie,
  • der sozialen Abgrenzung oder Ablehnung durch Altersgenossen, Erzieher, Lehrer und andere Personen, die die besonderen Bedürfnisse dieser Unterprivilegierten nicht erkennen wollen,
  • der Tatsache, dass Straftaten nicht als Hilferufe der eigentlich Schutzbedürftigen erkannt werden und
  • einem erlittenen Kulturschock sowie in der fehlenden Hilfe bei der Integration in eine ihnen völlig fremde und vielfach feindliche Umgebung etc.

Was wird in der Studie schlussendlich empfohlen werden?

  • Auch hier kann man ahnen, worauf es hinauslaufen wird. Man wird wahrscheinlich empfehlen:
  • Die staatlichen Budgetmittel zur Behebung der obgenannten Ursachen um den Faktor 100 zu erhöhen,
  • Weitere personelle Unterstützung durch Psychologen, Psychiater, Streetworker, Suchtgiftberater, Bewährungshelfer, Sozialarbeiter, Lebensberater und Stützlehrer sicherzustellen, kurz ein Arbeitssicherungsprogramm für die genannten Berufe, für die auf dem freien Arbeitsmarkt sonst kaum Bedarf bestünde,
  • arbeitsmarktpolitische Veranlassungen, wie Anstellungsquoten für Vorbestrafte und sonstwie Gestrauchelte ähnlich der Behindertenregelung oder der Frauenquote zu treffen, sowie
  • eine möglichst weitgehende Entkriminalisierung des materiellen und des Verwaltungsstrafrechtes, um das Fortkommen gefährdeter Jugendlicher nicht zu behindern. Devise: Wo keine Vorschriften – da keine Verstöße!

Zusammenfassung

Die Probleme der akut steigenden Jugendkriminalität sind zweifellos großteils hausgemacht! Die seit dem von einer „gefängnislosen Gesellschaft“ träumenden ehemaligen SP-Justizminister Christian Broda von puren Gesinnungsethikern betriebene realitätsferne Kriminalpolitik ist grandios gescheitert, das Vertrauen der Bevölkerung in die heimische Strafjustiz ist schon lange und dauerhaft zerstört. Unter der derzeitigen gesellschaftlichen Konstellation sind strukturelle Änderungen nicht zu erwarten. Sollte eine EU-weite Lösung angestrebt werden, wird sich diese eher in einem Diskriminierungsverbot für migrantische Jugendliche erschöpfen. Sollte man wider Erwarten einen österreichischen Weg einschlagen, wird er sich aller Wahrscheinlichkeit nach am altösterreichischen k. u. k. Verwaltungsgrundsatz „G‘schwind a bisserl warten“ orientieren. Die Opfer, die der Zivilbevölkerung laufend auferlegt werden, sind den politisch Verantwortlichen selbstverständlich völlig egal. Zumal sie selbst ja hinter Pollern (z. B. am Ballhausplatz, daher besser Heldenplatz genannt) versteckt und von Leibwächtern beschützt, das blutige Geschehen gelassen aus sicherer Entfernung beobachten können. Im Ergebnis wird das Problem daher wohl bis zur nächsten Wahl schubladisiert, um dann als Wahlkampfthema frisch aufgekocht zu werden. Ein wirklicher Wandel zum Besseren ist freilich weder in nächster Zeit noch in ferner Zukunft in Sicht.

Anmerkung

[1] Beispielsweise versah Thomas Hörmann am 16. Juni 2020 seinen Bericht in der „Tiroler Tageszeitung“ mit dem Titel „Mehr Straftaten, 43 Jugendliche in Polizeihaft“ und führte darin aus: „Laut Statistik ist die Jugendkriminalität in Innsbruck im vergangenen Jahr gestiegen. 43 junge Verdächtige lernten das Polizeianhaltezentrum (Polizeigefängnis) von innen kennen, 14 mussten als Untersuchungshäftlinge in die Justizanstalt übersiedeln. Die Kripo führte gegen etwa 130 Verdächtige Ermittlungen, 25 bis 30 Jugendliche gelten als harter Kern der Banden.“ Das seien die Antreiber hinter den Delikten, dazu kämen zahlreiche Mitläufer. Die meisten Straftaten könnten allerdings, heißt es im Bericht weiter, von einer eigens gegründeten Ermittlungsgruppe der Polizei rasch geklärt werden. Mit Körperverletzungen, Einbrüchen und Überfällen hätten die 14- bis 18-Jährigen einen erheblichen Einfluss auf die Kriminalstatistik. Unter der Rubrik Jugendkriminalität sind im Vorjahr allein in Innsbruck 1.184 Straftaten aufgelistet. 2017 waren es 700, ein Jahr später 840. Im Winter 2018/19 seien es vor allem Schlägereien gewesen, mit denen Jugendliche erstmals die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zogen. Doch schon bald versuchten sich die jungen Innsbrucker als Einbrecher, auch erste Überfälle wurden verübt. Im Herbst 2019 wandten sie sich dann vermehrt Raubdelikten zu. Betreffend die Herkunft der Straftäter bleibt die mediale Aussage vage: „Die Jugendlichen sind unterschiedlicher Abstammung, aber auch viele Österreicher mit und ohne Migrationshintergrund sind dabei.“ Abschließend zitiert der Redakteur einen Kriminalisten mit folgendem Lösungsansatz: „Auch die Jugendzentren sind eingebunden. Dort sollen die Jugendlichen vor allem durch Präventionsarbeit von Delikten abgehalten werden.“

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